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Reizdarm-Syndrom: Alles eine Frage der Psyche?

Psychische Faktoren sind zwar nicht die alleinige Ursache; sie können jedoch die Beschwerden auslösen und ihre Wahrnehmung verstärken.

Reizmagen- und Reizdarm gehören mit 30 Prozent zu den häufigsten Beschwerden von Patienten einer allgemeinärztlichen Praxis. Frauen sind zwei- bis dreimal häufiger betroffen. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für entsprechende Beschwerden.

Unterschiedliche Symptome machen Betroffenen das Leben schwer

Die Symptome sind von Patient zu Patient unterschiedlich und können auch gemeinsam auftreten. So kommt es beim Reizmagen (Fachbegriff "funktionelle1 Dyspepsie") häufig zu Druckgefühl oder Schmerzen im Oberbauch nach der Nahrungszufuhr. Typisch sind auch ein vorzeitiges Sättigungs- und Völlegefühl sowie Übelkeit und Brechreiz. Beim Reizdarm (auch "Colon irritabile" oder "Irritable bowel syndrome" genannt) kommen zusätzlich zu den Bauchschmerzen veränderte Stuhlgewohnheiten (Durchfälle, Verstopfung, auch im Wechsel), ein starker Stuhldrang, das Gefühl unvollständiger Stuhlentleerung, Schleimbeimengungen im Stuhl oder Blähungen und ein aufgetriebener Bauch hinzu. Nach internationaler Übereinkunft spricht man von Reizmagen bzw. Reizdarm erst, wenn die Beschwerden über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten im vergangenen Jahr vorgelegen haben, und wenn durch medizinische Untersuchungen eine körperliche Erkrankung (z. B. Magengeschwür, Darmentzündung) als Ursache der Beschwerden ausgeschlossen werden kann.

In den meisten Fällen sind die Funktionsstörungen ungefährlich

Die meisten Betroffenen fühlen sich nicht krank. "Nur die Hälfte der Menschen mit den Symptomen von Reizmagen und Reizdarm gehen zum Arzt", weiß Dr. Winfried Häuser, leitender Arzt des Funktionsbereichs Psychosomatik der Medizinischen Klinik I am Klinikum Saarbrücken. "Meist fürchten die Betroffenen, an einer körperlichen Erkrankung zu leiden." Dabei sind die Funktionsstörungen in den meisten Fällen ungefährlich. So sei das Risiko, an einer entzündlichen oder bösartigen Erkrankung von Magen oder Darm zu erkranken, bei Reizmagen und Reizdarm nicht erhöht. Dr. Häuser: "Nur ein Prozent der Menschen mit diesen Symptomen sind durch die Beschwerden so eingeschränkt, dass sie dauernder Behandlung durch Spezialisten bedürfen. Patienten, die durch die Beschwerden gelegentlich beeinträchtigt sind, kann durch die hausärztliche Behandlung geholfen werden."

Stress und Ärger verändern die Motorik im Darm

So verschieden die Beschwerden sind, so unterschiedlich sind auch die Ursachen. Reizstoffe in Nahrungsmitteln oder individuelle Unverträglichkeiten sind häufig an der Auslösung beteiligt. Während eine Infektion mit dem Bakterium Helicobacter pylori in der Entstehung des Reizmagens in seltenen Fällen eine Rolle spielen kann, kommt eine Besiedelung des Dickdarmes mit Hefepilzen (Candida albicans) nicht als Ursache des Reizdarms infrage.

Inzwischen sind sich Experten einig, dass psychische Faktoren bei beiden Erscheinungen eine große Rolle spielen. "Psychische Faktoren sind zwar nicht die alleinige Ursache," so der Facharzt für Innere Medizin, Psychosomatische Medizin und spezielle Schmerztherapie. "Sie können jedoch die Beschwerden auslösen und ihre Wahrnehmung verstärken. So führen Stress und Ärger nicht nur zu Veränderungen der Motorik von Magen und Darm, sie erhöhen auch die Wahrnehmung für Schmerzen." Außerdem hätten Menschen, die sich durch die Symptome sehr eingeschränkt fühlen bzw. auf eine symptomatische medikamentöse Behandlung nicht ansprechen, oft erhebliche persönliche Probleme oder seelische Störungen. Auch früherer sexueller oder psychischer Missbrauch können die Beschwerden und die Beeinträchtigungen verschlimmern.

Welche Behandlung sinnvoll ist

Wichtig ist, dass die Diagnose immer durch einen internistisch erfahrenen Arzt erfolgt. Dr. Häuser empfiehlt, die Behandlung nach dem Schweregrad der Beschwerden auszurichten:

* Bei milden und gelegentlichen Beschwerden reicht eine sorgfältige Information über die Harmlosigkeit der Beschwerden. Verdächtige Nahrungsmittel sollten zukünftig nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr gegessen werden. Eine strenge Diät ist jedoch nicht notwendig. Dr. Häuser rät stattdessen zu einer Vitamin- und Ballaststoff-reichen Kost mit ausreichend Flüssigkeitszufuhr (mindestens 2 Liter täglich, am besten Mineralwässer und Obstsäfte).

* Verstopfung und Darmkrämpfe können zusätzlich durch die Einnahme von Weizenkleie oder Plantago-Afra-Samenschalen (Indische Flohsamenschalen) gemindert werden.

* Wenn die Beschwerden den Alltag zeitweise beeinträchtigen, ist laut Dr. Häuser zusätzlich eine medikamentöse Therapie durch den Arzt sinnvoll. Hilfreich bei Übelkeit, Brechreiz und Völlegefühl sind pflanzliche Präparate mit Kümmel, Fenchel, Anis oder Artischocken sowie Medikamente, welche die Motorik des Magens anregen (so genannte Prokinetika). Serotonin-Antagonisten wirken speziell auf jene Nervenbotenstoffe, welche die Darmbewegungen und die Reizwahrnehmung im Darm steuern. Das ausschließlich bei Frauen wirksame Alosetron ist nur unter strikten Auflagen in den USA auf dem Markt. Der Wirkstoff Tegaserod ist bislang nur in der Schweiz erhältlich.

* Bei ausgeprägten Beschwerden, die das berufliche und private Leben stark beeinträchtigen, können auch Antidepressiva (vor allem bei Schmerzen) und eine intensivierte Psychotherapie helfen. Eine Linderung der Symptome und verbesserte Lebensqualität kann auch durch Hypnose, eine kognitive Verhaltenstherapie oder eine tiefenpsychologisch fundierte Therapie erreicht werden - vor allem, wenn die Patienten nicht ausreichend auf Medikamente ansprechen.

Adressen:
* Informationen erhalten Interessierte bei der Deutschen Reizdarmselbsthilfe e. V., Mörikeweg 2, 31303 Burgdorf, Tel: 05136/896106, Fax: 05136/873662, reizdarm@aol.com, www.reizdarmselbsthilfe.de oder www.ibs-liga.de
* Österreich und Schweiz: Österreichische Patienteninitiative Reizdarm, Vorgartenstrasse 145-157/Stg.1/EG, Tel. 0043/(0)1/2120490, oeprd@wiener.hilfswerk.at, www.reizdarm-selbsthilfe.at bzw. Interessengemeinschaft Magen-Darm, Postfach 319, 3000 Bern 7, Tel. 0041/ (0)313128811, E-Mail: info@igmagendarm.ch, www.igmagendarm.ch
* Ausschließlich von Betroffenen betreut wird das Internet-Forum www.rds-forum.de

Quelle: Medical Mirror 12/05

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